... DUMM GELAUFEN MIT DEM PARTNER – 6 "Desaster"

1. KURZSCHLUSS

Siegfried: "Am Donnerstag, als die Heitmanns hier waren ..." Rosi: "Entschuldige, Siegfried, es war Mittwoch, Mittwoch, der 24.!"

S.: "Na gut, am Mittwoch, als die Heitmanns hier waren, hat Didi mir von seiner Schwester erzählt ..."

R.: "Moment, Siggi, es ist seine Halbschwester, denn seine Mutter war zweimal verheiratet. Didis Vater ist ja schon sehr früh gestorben, ich glaube das war '74."

S.: "Ist ja gut, Rosi, das ist doch nicht so wichtig. Also, die Halbschwester hatte einen Freund, der einen Motorrad-Unfall hatte ..."

R.: "Nein, nein, der hatte ja gar kein Motorrad, es war ein Motorroller, er hatte einen Unfall mit einem Motorroller an einem Freitag den 13.!

S.: "Das ist doch völlig egal!"

R.: "Ja, wenn das völlig egal ist, warum erzählst du es dann überhaupt? Eine Darstellung hat doch keinen Informationswert, wenn Fakten falsch wiedergegeben werden. Ich habe, wie du weißt, lange in der Anzeigenannahme des Wurmbacher Wochenblattes gearbeitet und da kam es auf die absolut exakte ..."

S.: "Schon gut, schon gut, vergiss es einfach ­ gib mir doch bitte mal die Kaffeesahne rüber."

R.: "Du meinst die Kondesmilch, das ist ganz normale Kondensmilch mit 3,5 Prozent Fettgehalt. Kaffeesahne hingegen hat ..."

Als Siegfried S. von zwei Polizeibeamten abgeführt wird, erscheint es wieder einmal unerklärlich, wie es zu einer solchen Gewalttat kommen konnte ...

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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2. GESPRÄCHSPROTOKOLL

Gesprächsprotokoll eines gemeinsamen Frühstücks der Eheleute Ernst und Carla H. aus Witzhave:

C.: „Die Schäfer über uns scheint einen neuen Lover zu haben. Regelmäßig um neun klingelt es an der Tür und kurz darauf huscht so ein merkwürdiger Typ die Treppe rauf.“

E.: „Hmm, ist ja hochinteressant, Carla ...“

C.: „Mit den Schneiders scheint auch etwas nicht zu stimmen. Er kommt jetzt immer um fünf vor halb zehn mit einer vollgepackten Tasche nach Hause und verschwindet zehn Minuten später wieder mit einem Müllbeutel in der Hand.“

E.: „Er könnte doch für seine Frau einkaufen und dann den Müll runterbringen.“

C.: „Ach, Ernst, der doch nicht, der fasst doch zu Hause sonst auch nichts an! Der Briefträger kommt jetzt immer schon um kurz vor elf. Du wirst es nicht für möglich halten: Erst um viertel nach zwölf verlässt er wieder unser Haus. Na, ich weiß inzwischen, dass er sich ‘ne gute halbe Stunde bei der Schneidwasser im Dritten aufhält und dann ‘ne geschlagene dreiviertel Stunde bei dem Heubacher rumhängt. Wahrscheinlich ist er ,bi’!“

E.: „,Bi’? Carla, es muß doch nicht immer gleich sowas sein. Er kann doch auch bei Frau Schneidwasser eine Tasse Kaffee trinken und beim Heubacher ein wenig am Computer rumspielen.“

C.: „Na, du bist vielleicht naiv, Ernst!“

C.: „Der Bengel von Hubhoffs übt jetzt jeden Tag Gitarre. Ich kann dir sagen, das ist vielleicht ein Lärm! Von halb eins bis drei kann man kaum ein Wort im Treppenhaus verstehen. Ich hab mir von Herrn Schlunz, der ist übrigens Akustiker, wusstest du das? ... Na ja, ich hab mir jedenfalls von Herrn Schlunz mal so ein Phonmessgerät geliehen. Weißt du, damit kann man die Lärmbelästigung messen. Du, das waren gut und gerne 900 Dezibel! Der Schlunz hat zwar gesagt, bis 900 würd die Skala gar nicht reichen, aber ich glaub, der kennt seine eigenen Geräte nicht. Außerdem scheint er schwerhörig zu sein. Er würde keine Gitarre hören, sagt er. Na ja, kein Wunder, wo er doch so viel mit Lärm zu tun hat.“

E.: „Mit Akustik, nicht mit Lärm, das ist ein Unterschied, Carla ...“

C.: „Hör auf, mich zu schulmeistern, Ernst, du weißt, ich mag das nicht! Ach ja, ab kurz vor vier blockiert die Kleinhaupt fast jeden Tag die Waschküche! Du, die Wäsche solltest du mal sehen! Schwarz, dunkelblau, rot, lila und alles mit Spitzen! Wer sowas trägt, hat´s nötig. Ich hab mich ja schon immer gefragt, womit die ihr Geld verdient - na, nun weiß ich´s.“

E.: „So? Womit denn?“

C.: „Also, sowas Blödes kannst auch nur du fragen, Ernst!“

E.: „So, ich muss jetzt gleich los und hab’ noch kein gebügeltes Hemd gefunden.“

C.: „Kannst du mir bitte mal sagen, wann ich in diesem Haus zum Bügeln kommen soll?“

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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3. DIE LADY AUS MÜNCHEN

Der Zug aus München läuft auf Gleis 3 in den Hamburger Hauptbahnhof ein. Eine elegant gekleidete Frau, mit einer Reisetasche in der einen und einer Zeitung in der anderen Hand, schwebt gazellenhaft aus dem Erste Klasse Wagen und sieht sich suchend auf dem mit Menschen gefüllten Bahnsteig um.

Wenig später schlurft ein recht alt wirkender Mann mit einem ausgebeulten Filzhut auf dem Kopf und in einen speckigen, fast bis auf den Boden reichenden Lodenmantel gehüllt, auf sie zu. Auffällig erscheinen nur die, in einem merkwürdigen Kontrast zu seinem sonstigen Outfit stehenden, italienischen Edelslipper an seinen Füßen und eine „Frankfurter Allgemeine“, die er sich unter den Arm geklemmt hat.

Als er vor der Frau stehen bleibt, fragt diese mit deutlichem Entsetzen im Gesicht: „Sind Sie etwa der agile Endfünfziger, vermögend und großzügig, der eine sportliche, intelligente Partnerin sucht und mit dem ich auf hohem intellektuellen Niveau korrespondiert habe?“ Er deutet auf die Zeitung unter seinem Arm und sein Grinsen legt eine fast zahnlose Kauleiste frei, als er antwortet: „Aber ficher, hier, unfer Erkennungsfeichen, kommen fie, ich habe unf fon eine F-Bahnkarte beforgt.“

Mit hochrotem Kopf presst die Frau hervor: „Ja, spinne ich denn? Nicht einen Schritt gehe ich mit so einem heruntergekommenen Clochard!“ Ohne dem Mann die Chance einer Entgegnung zu geben, wendet sie sich abrupt ab und hastet, wie vom Leibhaftigen gehetzt, in Richtung Ausgang davon. ?

Nach einigen Minuten hat auch der Mann den Ausgang und kurz darauf die Parkplätze vor dem Bahnhof erreicht. Ein Chauffeur in grauem Anzug reißt den Wagenschlag eines schwarzen Rolls Royce Silver Shadow auf. Der „Clochard“ entledigt sich des speckigen Mantels und der Filzkappe, unter der eine grau melierte, tadellos frisierte Löwenmähne zum Vorschein kommt. Er schlüpft mit geschmeidigen Bewegungen in das Sakko eines nachtblauen Maßanzuges und gleitet auf den Rücksitz der Edelkarosse.

Er fischt seine Zahnprothese aus einem der Kristallgläser, die neben Champagner- und Whiskeyflaschen in der Bordbar stehen, und befördert die Kauhilfe mit einem kurzen Handgriff an ihren angestammten Platz. Dann grinst er seinen Fahrer an und meint: „Fahr los, Harry, es war leider wieder mal nur so eine geldgierige Möchtegern-Lady, die man mit Hilfe einer kleinen Fassadenkorrektur dazu bewegen kann, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Die Maskerade hat mir, wie schon so oft, eine Menge Zeit, Geld und Nerven gespart.“

Die gepflegte Dame aus München hatte die Demaskierung aus einiger Entfernung mit offenem Mund zufällig beobachtet. Mit Tränen der Wut und Enttäuschung in den Augen starrt sie der lautlos davongleitenden Limousine hinterher und lässt ihre „Frankfurter Allgemeine“, die sie immer noch in der Hand hält, mit einem wenig damenhaften Fluch auf den Lippen achtlos im nächsten Papierkorb verschwinden.

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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4. KNUDDELCHEN

Eigentlich wollte sie seinen Anzug aufbügeln, doch dann fiel ihr ein gefaltetes Blatt Papier aus der Brusttasche seines Jacketts entgegen. Während sie las, verfinsterte sich ihr Blick zusehends:
Geliebtes Knuddelchen! Das war wieder einmal ein himmlischer Tag mit Dir. Und als du fort warst, erwachte sofort diese unbeschreibliche Sehnsucht in mir, Dich ganz schnell wieder zu sehen. Ich freue mich schon sehr auf Deine nächste Geschäftsreise! Dein Schnuddelchen

„Nicht zu fassen! Dieser Mistkerl hat doch tatsächlich ...“ Sie wendete das Blatt und dort stand in großen Lettern:

FREUNDIN, FREUND, BORDELL? MIT ARGUS KLÄRT SICH´S SCHNELL! ARGUS, DIE DETEKTEI – SEIT ÜBER 20 JAHREN SPEZIALIST FÜR PERSONENÜBERWACHUNG!

Sie brach in schallendes Gelächter aus: „Eine wirklich raffinierte Werbung! Für einen Moment dachte ich doch tatsächlich, mein Klaus geht fremd!“

Es folgte ein sehr harmonischer Abend. Tja, da hatte Knuddelchen Klaus noch einmal Glück gehabt, dass sein Schnuddelchen, Schreibkraft in der Detektei „Argus“, die dumme Angewohnheit hatte, ihre Liebesbriefe auf der Rückseite von firmeneigenen Werbezetteln zu verfassen ...

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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5. LETZER WILLE

Opa Kohlwang war gestorben und seine Frau Henriette hörte gerührt zu, als vom Notar der letzte Satz des Testamentes verlesen wurde:

„Du weißt, wie sehr ich das Meer geliebt habe und darum bitte ich dich, meine liebe Jette, meinen letzten Wunsch zu erfüllen und meine Asche auf See eigenhändig in die vier Winde zu verstreuen.“

Durch die Bestechung des Friedhofswärters mit einer Flasche Doppelkorn, gelang es Henriette, sich nach der offiziellen Feuerbestattung in den Besitz der Urne mit der Asche ihres Gatten zu bringen.

Ihre Kinder hatten zwar Bedenken, aber sie wussten nur zu genau, dass die resolute alte Dame keinen Widerspruch duldete und den letzten Willen ihres Hannes allein und buchstabengetreu erfüllen würde.

Sie konnten Henriette gerade noch dazu überreden für den Notfall wenigstens ein Seefunkgerät mit an Bord der gemieteten kleinen Barkasse zu nehmen. Winkend stand die Familie an der Mole, als Oma Kohlwang, Ruder und Urne fest im Griff, mit der tuckernden Nussschale den Hafen verließ.

Nach endlosen Tagen bangen Wartens, erreichte sie ein knappes Funktele-gramm: „BEISETZUNG ZIEHT SICH HIN – stop – SEIT DREI TAGEN NUR OSTWIND – stop – OMA.“

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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6. ELKE

Nichts war mehr, wie es einmal war. Ewald vermisste die zärtliche Zuwendung, die Heidi ihm in früheren Jahren täglich zukommen ließ. Die leidenschaftlichen Küsse, wenn er abends aus dem Büro kam. Die Art, wie sie ihm durch das Haar strich und sich eng an ihn schmiegte, wenn er sich morgens im Bad den Bart entfernte.

Das alles war einem nüchternen, lieblosen Alltagseinerlei gewichen. Er hasste ihr Herumnörgeln an seinen angeblich merkwürdigen Eigenarten, ihre geringschätzigen Bemerkungen über seine Gewohnheiten und Hobbys. Nein, das war nicht mehr die Frau, die er einmal kennen und lieben gelernt hatte. Was hatte er nur fasch gemacht? Was, um alles in der Welt, war der Grund für ihre Eiseskälte?

Heidi saß wie gewohnt vor dem Fernseher und warf ihm einen bösen Blick zu, als Ewald, mit einer Dose Pils in der Hand, über den Flur schlurfte und zu seiner lebensgroßen Schmusepuppe Elke zurück ins Bett kroch ...

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München