... DUMM GELAUFEN IM VERKEHR – 6 Protokolle

1. EINMAL BIKER, IMMER BIKER

So eine Harley ist was Geiles, denkt sie und gibt Gas. Die Gestalt im verwaschenen Jeansanzug schießt auf der schweren Maschine über die Landstraße von Klein-Heubach nach Gellenhausen. Die Tachonadel tanzt bei 110 Km/h, als die Fahrerin die Ideallinie der langgestreckten Rechtskurve am Rande des Rödeldorfer Forstes sucht und traumhaft sicher findet."Gib Gummi!" Feuert sie sich an, als plötzlich ein Trecker mit Anhänger von einem Feldweg auf die Landstraße einbiegt. Die Gegenfahrbahn ist durch einen entgegenkommenden Kieslaster blockiert und im Bruchteil einer Sekunde entscheidet sich die geistesgegenwärtige Bikerin für den einzigen Ausweg: Abflug in die Wiesen!

Maschine und Fahrerin fliegen meterweit durch die Luft und landen, wie durch ein Wunder, mitten in einem riesigen Heuhaufen, der auf dem Feld zum Abtransport aufgeschichtet wurde. Dann ist es still. Der Bauer kommt herangelaufen und sieht, wie sich die mutige Bikerin wieselflink und offenbar unverletzt aus dem Heuhaufen herausrappelt und sich den Panoramahelm vom Kopf reißt.

"Mensch Bruno, bist du bescheuert, mit deiner Jaucheschaukel so auf die Straße zu brettern?!" Brüllt die Frau den Landwirt Buno Wolters an. "Da, dein Mittagessen kannst du jetzt aus dem Heu lutschen!" Tobt sie weiter und deutet auf die klebrige Masse, die aus einer Gepäcktasche der verbeulten Maschine auf die Halme tropft.

"Aber Mama, Hauptsache dir ist nichts passiert", stottert der Landwirt mit kalkweißem Gesicht und hilft der 81-jährigen auf, um sie, samt gestohlenem Motorrad, auf seinem Trecker zurück ins Altenheim zu fahren.

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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2. DIE ANHALTERIN

Der Wagen mit dem Pärchen an Bord holpert über einen dunklen Waldweg, der Motor stirbt ab und das Fahrzeug kommt zum Stehen. Kai-Uwe, so heißt der Jüngling am Steuer, wendet sich seiner Beifahrerin zu und meint: „Denk bloß nicht, ich komm jetzt mit der alten Nummer „Benzin ist alle“ und so. Ich sag dir ganz ehrlich, dass ich Lust auf ´ne Runde Schmusen hab und du doch auch, sonst hättste ja protestiert, als ich in den Waldweg abgebogen bin.“

„Der Benzin-Trick hätte auch nicht funktioniert,“ gibt die junge Frau grinsend zurück, „für solche Fälle hab ich immer ´n kleinen Reservekanister in meinem Rucksack. Schließlich bin ich ´ne erfahrene Anhalterin.“

„Cool“, antwortet Kai-Uwe irritiert, legt aber trotzdem seine Hand auf ihr Knie. Sie wischt seine Hand beiseite:

„Einer, mit dem ich mich einlasse, muss schon ein gestandener Kerl sein, mit einem Halbgaren geb ich mich nicht ab. Also, zeig mir erstmal hundert Liegestütze, ich wette, das schaffst du nicht.“

„Ich bin ja eigentlich nicht zum Turnen hier“, mault der Jüngling, „aber gut, pass auf!“

Er steigt aus und beginnt missmutig auf dem feuchen Moos des Waldweges seine Übung. Nach dreißig Einheiten ist er schon mächtig ins Pusten und Schwitzen geraten und rappelt sich ärgerlich auf. „Ich hab keinen Bock mehr auf den Blödsinn, komm küss mich doch erstmal zur Belohnung!“ Er greift nach dem Kopf der Frau, wirbelt Bruchteile von Sekunden später durch die Luft und landet krachend auf dem Rücken.

„Versuch das nicht noch mal, sonst brech ich dir die Knochen,“ zischt die junge Lady mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen, „los jetzt, mach weiter!“

Nach hundert Liegestützen ringt Kai-Uwe schwer nach Atem. Sein Haar klebt ihm an der Stirn und er sinkt mit verdrehten Augen wie ein nasser Sack in sich zusammen.

Die junge Frau hat es sich inzwischen hinter dem Steuer des Wagens bequem gemacht, Kai-Uwe gelangweilt zugesehen und laut mitgezählt. „Nicht schlecht, Baby; na, dann wollen wir doch mal sehen, was du sonst noch so drauf hast“, sagt sie böse grinsend und beginnt langsam ihre Bluse aufzuknöpfen.

„Nee, nee, lass mal! Bitte nicht“, stöhnt der Geplagte noch immer keuchend am Boden liegend. „Ich bin völlig fertig, behalt bloß die Klamotten an. Ich fahr dich natürlich sofort nach Klein-Haselbach, da wolltest du doch hin.“

„Richtig, genau wie meine kleine Schwester letzten Samstag. Sie hat mir erzählt, dass du dringend ´ne Lektion nötig hast.“ Mit diesen Worten schlägt sie die Tür zu, startet und wenig später sieht Kai-Uwe mit einem unbeschreiblich blöden Gesicht die Rücklichter seines Wagens in der Dunkelheit verschwinden.

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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3. LADEZONE

Hilfswachtmeister Knut Lämmerbach verteilt eifrig Knöllchen. Er schreibt gerade die Nummer einer schneeweißen Limousine auf, als ihm eine gut gebaute, sehr offenherzige Dame auf die Schulter klopft:

„Hör mal, Wachtmeisterchen, muss denn das sein? Du hast nichts davon und mich kostet es nur unnötig Kohle. Wollen wir beiden Hübschen das nicht lieber sinnvoller anlegen?“ „Was hab ich mir denn darunter vorzustellen?“, fragt Lämmerbach mit einem misstrauisch lauernden Unterton in der Stimme. „Ganz einfach, du vergisst den Strafzettel, wir machen uns dafür ein nettes halbes Stündchen in meinem Wagen und du zahlst, na, sagen wir, nur fünfzig Euro dazu. Wie findest du das?“

Knut blickt die Dame etwas scheel an und sieht sich vorsichtig nach allen Seiten um: „Wir verstoßen zwar gerade gegen ein halbes Dutzend Paragraphen, aber ich bin auch nur ein Mann“, knurrt er, „also los, hau’n wir schnell ab, ich hab sowieso bald Dienstschluss!“

Der schneeweiße Wagen steht in einer menschenleeren Industriestraße und drinnen tobt das pralle Leben. Nach zehn Minuten sinkt Herr Lämmerbach erschöpft in die Polster zurück. „So“, gurrt die Dame, „das macht dann fünfzig Mark, mein Bester, bei korrekten Beamten verzichte ich natürlich auf Vorkasse.“

Hilfswachtmeister Lämmerbach zählt der Dame zwei Zwanziger und einen Zehner in die Hand, setzt seine Dienstmütze auf, zückt seinen Knöllchenblock und beginnt zu schreiben. Dabei murmelt er: „Das macht dann fünfzig Mark, gnädige Frau, Sie parken nämlich mitten in der Ladezone.“

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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4. DIE AUTOWÄSCHE

rau Kranzmacher wird in ihrem neuen Wagen durch die Waschstraße gezogen. Sie probiert den CD-Player aus und studiert die Progammautomatik. Leider gerät sie beim ersten Programmierversuch an den Knopf für das elektrische Cabriodach.

Dieses öffnet sich und ein Schwall Spezial-Auto-Shampoo ergießt sich über die entsetzte Frau in das Innere des Wagens. Verzweifelt versucht sie, das Verdeck wieder zu schließen, aber es rührt sich nicht mehr.

In den folgenden Minuten ergehen über Frau Kranzmacher eine zweite Vorwäsche, die Hauptwäsche, drei Spülgänge mit warmem und kaltem Wasser, es geht durch die Heißwachsabteilung und den Turbotrockner.

Als sie endlich auf dem Parkplatz hinter der Waschstraße angekommen ist und nach Öffnen der Tür mit Frau Kranzmacher ca. hundertfünfzig Liter Reinigungsflüssigkeit das Fahrzeug verlassen haben, trippelt ihre Freundin, Frau Hollenbach, auf sie zu. Sie hatte währenddessen am nahen Kiosk eine „Modewoche“ erstanden. Die Dame kreischt völlig aus dem Häuschen:

„Neiiin!!! Was für eine total irre Föhnfrisur mit Haarlack, Ilse, suuuper!!! Und einen Teint hast du plötzlich, so straff und strahlend, wie mit achtzehn!!! Sag mal, und das machen die da drinnen alles während einer einzigen Autowäsche?“

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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5. DER TRAUMHOBEL

Leo Blechhauer, hat seinen „Hirsch“ mächtig auf Vordermann gebracht: Vergaser aufgebohrt, den Auspuff vom leistungshemmenden Schalldämpfer befreit, Kolbenringe poliert und die Sitzbank mit Leopardenfellimitat neu bezogen.

Der ortsansässige Top-Tätowierer und Hobby-Sprayer Ingo Nadler hat ihm den Tank mit einem springenden rosa Panter und einer liegenden Nackten verschönt und um die Stoßdämpfer ringelt sich nun jeweils eine feuerspeiende Kobra.

Die Chromteile blitzen in der aufgehenden Sonne, als Leo noch einmal den Luftdruck der mit schwarzer Schuhcreme polierten Reifen prüft. Er streift sich das hautenge rote Lederbeinkleid über, zwängt sich in die kniehohen, bespornten Stiefel mit Stahlkappe und schlüpft in die speckige Kutte, die er eigenhändig mit 324 Rundkopfnieten versehen hat.

Während er den pinkfarbenen Integralhelm mit Abreißvisier überstülpt, murmelt er: „So, nun ab zum Bikertreffen ins Sauerland. Ich wette, jetzt wird dort niemand mehr wagen, mich ¸Dorffuzzi auf der Gülleschaukel´ zu nennen, wie im letzen Jahr! Sie werden mit offenen Mäulern vor diesem Traumhobel stehen und mir anerkennend auf die Schulter klopfen! Und diese Trixi wird betteln, mit mir ´ne Runde drehen zu dürfen, statt blöd zu fragen, ob sie mir mal in die Reifen husten soll!“

Leo Blechhauer atmet diese grenzenlose Freiheit, die nur ein echter Biker kennt. Er spürt den Kick, diesen gnadenlosen Adrenalinstoß, als er von der Autobahnauffahrt auf die dreispurige Piste wechselt und Vollgas gibt. Lastwagen und PKW´s scheinen an ihm vorbeizufliegen und das Dröhnen des frisierten Motors unter ihm klingt wie Heavy-Metal-Rock in seinen Ohren.

Nach einem knappen Kilometer Fahrt, vernimmt er plötzlich das Martinshorn eines nahenden Streifenwagens. Sekunden später überholt ihn das Polizeifahrzeug, eine Kelle wird aus dem Seitenfenster geschoben und bedeutet Leo, auf dem Standstreifen anzuhalten.

„Verdammt!“, rast es dem jäh aus seinen Träumen gerissenen Asphalt-Cowboy durch den Kopf. „Bin ich etwa zu schnell? Hab ich ´n Geschwindigkeits-Begrenzungsschild übersehen oder vergessen zu blinken? Für einen Moment denkt er an Flucht, aber dann gewinnt doch seine Vernunft die Überhand und er stoppt mit blockierendem Vorderreifen hinter dem Streifenwagen.

Diesem ist inzwischen eine ihm wohlbekannte Figur entstiegen. Hauptwachtmeister Eulenjäger, Dorf-Sheriff in Leos Heimatort, kommt mit langen Schritten und wütendem Gesicht auf ihn zu: „Verdammt noch mal, Leo, ich hab langsam die Schnauze voll von dem Mist, den du ständig baust! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mit deinem stinkenden Mofa nichts auf der Autobahn zu suchen hast!“

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München

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6. REIFENPANNE

Es ist ein Uhr nachts, als Helen Kowalski den Wagen auf der einsamen Landstraße zum Stehen bringt. Im strömenden Regen steigt sie aus und erkennt sofort, warum sie fast im Straßengraben gelandet wäre. Der linke Vorderreifen hat keine Luft mehr! „Zum Glück ist er nur unten platt“, denkt sie, ahnt aber, dass ein Reifenwechsel trotzdem unerlässlich sein dürfte.

Die attraktive junge Frau öffnet den Kofferraum und wuchtet den Ersatzreifen heraus. In diesem Moment stoppt ein weißer Sportwagen hinter ihr und der Gelegenheitsplayboy Gunther Fruchtmann springt heraus. „Darf ich Ihnen helfen, schönes Kind?“, balzt er und läßt die Jackettkronen blitzen. „Oh, das wäre aber wahnsinnig nett von Ihnen!“, antwortet Helen und zupft ihre Bluse, die ihr inzwischen auf der Haut klebt, zurecht. „Sein Sie aber bitte ganz vorsichtig mit dem Wagen!“ „Keine Sorge“, schmeichelt Gunther, während sein Blick wohlwollend auf den sich abzeichnenden Brüsten seiner vermeintlich neuen Beute ruht.

Er wechselt den Reifen und kommt dabei mächtig ins Schwitzen. Sein neuer Boss-Anzug ist inzwischen durchgeweicht und die Haare hängen ihm in nassen Strähnen ins Gesicht. „Vorsicht, lassen Sie das Auto ganz vorsichtig wieder runter“, bittet Helen Gunther, der schwer atmend am Wagenheber kurbelt. „Warum soll ich denn ständig so vorsichtig sein?“, fragt er nun etwas ungehalten. „Transportieren Sie etwa ´ne Ladung rohe Eier?“

„Na ja, so etwas Ähnliches“, entgegnet Helen mit einem unbeschreiblichen Augenaufschlag, „mein Mann schläft nämlich auf der Rückbank und er kann furchtbar grob werden, wenn er um diese Zeit geweckt wird!“

© W. Mürmann/Tomus Verlag, München